Zu einem Gespräch über die Lage in der Ukraine traf sich Thorsten Frei kürzlich am Amtssitz des Kiewer Auslandsvertreters in Berlin mit Botschafter Andrij Melnyk. Melnyk schilderte dabei zunächst die festgefahrene Situation in der Ostukraine, wo sich ein Stellungskrieg zwischen der Ukraine und Russland verfestigt habe. Dort gebe es fast täglich Feuergefechte und Tote auf beiden Seiten, auch wenn das mediale Interesse und die internationale Aufmerksamkeit deutlich nachgelassen haben.
Beide Politiker erörterten Möglichkeiten, um insbesondere Gespräche im Normandie-Format, die zuletzt im Februar 2017 stattgefunden haben, wiederbeleben zu können. Ebenso wurde die Wirksamkeit der bestehenden Sanktionen thematisiert, wobei man übereinstimmend der Meinung war, dass diese möglichst noch zielgenauer werden müssten, da „die Gesellschaft in Russland und die Wirtschaft in Deutschland im Moment zu undifferenziert belastet werden.“ „Wir müssen Präsident Putin zeigen, dass er nicht schalten und walten kann, wie er will. Sanktionen sind deshalb unverändert notwendig und ohne vernünftige Alternative. Schließlich wollen wir eine offene Konfrontation unbedingt vermeiden“, betonte Frei seine Position.
Darüber hinaus stellte Botschafter Melnyk die von seinem Land verabschiedeten Reformen im Energiesektor, bei der Gesundheitsversorgung und im Bereich der Korruptionsbekämpfung vor. „1,5 Millionen Richter, Beamte und Politiker auf allen staatlichen Ebenen müssen jegliche Einkünfte und ihr Vermögen deklarieren. Sie sind völlig gläsern. In Deutschland würde dies sicherlich gegen die Verfassung verstoßen“, betonte Melnyk. Frei entgegnete, dass „die Reformen langfristig gut für das Land“ seien, aber auch er sehe das Problem, dass sie die Menschen im Moment nur belasten würden. Schließlich sei das Leben in vielen Facetten deutlich teurer geworden. „Deshalb wäre es vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr gut, im Falle von Korruptionsvorwürfen tatsächlich auch Verfahren abzuschließen. Das würde die Stellung der Regierung stärken und die Ukraine weiter stabilisieren.“
Entscheidend für die Unterstützung der Bevölkerung sei eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, waren sich Frei und Melnyk einig. Insofern sei das moderate Wachstum der vergangenen Jahre von 2-3 % ein hoffnungsvolles Signal. Botschafter Melnyk unterstrich, dass die wichtigsten Säulen der ukrainischen Wirtschaft die Ernährungsmittel-, die Textil- sowie die Automobilzulieferindustrie seien. Letztere mache „25 % der Wirtschaftskraft der der Ukraine aus. Heute gebe es wohl kein Auto, das in Deutschland gefertigt wird, das ohne Kabelbäume, Fensterheber oder Sitzbezüge aus der Ukraine auskomme“, betonte Melnyk selbstbewusst.
Darüber hinaus wies er noch einmal gesondert auf die große Attraktivität seines Heimatlandes als Investitionsstandort für deutsche Unternehmen. Dieser Attraktivität ist sich auch Thorsten Frei bewusst, schließlich seien schon heute knapp 4.000 Unternehmen aus Deutschland in der Ukraine tätig. Um auch in seinem von einem maschinenbaustarken und exportorientierten Mittelstand geprägten Wahlkreis stärker über die wirtschaftlichen Chancen und Rahmenbedingungen in der Ukraine zu informieren, haben Frei und Melnyk, der selbst in Freiburg studierte und damit die Region nach eigenem Bekunden ganz gut kenne, abschließend einen Gegenbesuch im Wahlkreis von Thorsten Frei ins Auge gefasst.